

Verletzungen gehören zum Sport dazu. Sie fordern nicht nur den Körper, sondern bringen auch einige mentale Herausforderungen mit sich.
Wir haben dir hier Informationen und Ansätze zusammengestellt, die dir helfen können, Verletzungen nicht nur körperlich, sondern auch mental gut zu bewältigen.
Verletzungen sind im Sport häufig und stellen herausfordernde Situationen in der sportlichen Laufbahn dar – Egal, ob du Dich auf eine entscheidende Phase der Saison oder ein wichtiges Turnier vorbereitet hast, mitten im Wettkampfgeschehen steckst oder einfach nur Spaß am Training hattest – eine Verletzung kann deine Pläne schlagartig verändern.
Doch eine Verletzung ist nicht nur eine körperliche Herausforderung. Sie hat auch einen enormen Einfluss auf die Psyche – und diese wirkt wiederum im psychosomatischen Zusammenspiel auf den Körper. Viele Athleten erleben nach einer Verletzung Enttäuschung, Wut, das Gefühl des Kontrollverlusts, Unsicherheit oder Angst. Manche zweifeln an ihrer Zukunft im Sport, andere kämpfen mit Motivationstiefs oder dem Gefühl, von ihrem Team abgeschnitten zu sein – besonders wenn der Heilungsverlauf länger dauert, als erwartet oder Komplikationen auftreten. Auch Selbstzweifel und die Sorge, nach der Genesung nicht mehr das vorherige Leistungsniveau erreichen zu können, spielen für viele eine Rolle.
Deshalb ist ein gutes Verletzungsmanagement mehr als nur eine Frage der medizinischen Behandlung, sondern auch der mentalen und emotionalen Bewältigung und Unterstützung. In diesem Artikel beleuchten wir deshalb genau diese Aspekte und geben dir Ansatzpunkte, wie du als Sportler besser mit dieser mentalen Herausforderung umgehen kannst.


Der Alltag und die Herausforderungen eines Athleten
Als Leistungssportler gleicht dein Alltag dem eines hochrangigen Managers und ist von Disziplin, Engagement und unzähligen Trainingsstunden geprägt- und das oft schon in sehr jungen Jahren. Dein Wochenplan ist eng getaktet mit Trainingseinheiten, Lehrgängen, Wettkämpfen, Reisezeiten und medialen Verpflichtungen. Hinzu kommen schulische oder berufliche Anforderungen. Es bleibt objektiv wenig Spielraum für soziale Kontakte, Hobbys und persönliche Entwicklung außerhalb des Sports. Diese intensive Routine und der ständige Druck, Leistung zu erbringen, machen die sportliche Karriere zu einer enormen Herausforderung.
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Die psychologische Seite von Verletzungen: Warum sie uns mehr als nur körperlich belasten
Eine Verletzung stellt im Leistungssport meist weit mehr dar als eine bloße körperliche Einschränkung. Sie bringt häufig erhebliche Veränderungen im Alltag und im sportlichen Umfeld mit sich – unabhängig davon, wie schwer oder langwierig sie ist.
Besonders herausfordernd ist dabei, dass eine Verletzung nicht isoliert wirkt. Sie beeinflusst verschiedenste Lebensbereiche: den Tagesablauf, das soziale Netzwerk, die Position im Team sowie das Vertrauen der sportlichen Leitung – und nicht selten auch finanzielle Perspektiven. Diese Veränderungen können emotional belasten, auch wenn die körperliche Heilung planmäßig verläuft.
Folgende strukturelle und soziale Veränderungen können nach einer Verletzung auftreten:
Ohne das gewohnte Training und Wettkämpfe fällt ein wichtiger Rhythmus im Alltag weg, ggf. ist die Jahresplanung verändert. Dies kann das Gefühl von Orientierungslosigkeit verstärken und dazu führen, dass der Tag weniger produktiv oder erfüllt erscheint. Die Sportler stehen dann vor der Herausforderung ihren Tag neu selbst zu strukturieren.
Das Sportsystem bietet ein soziales Gefüge und eine Eingebundenheit, so dass meist viele soziale Kontakte an den Sport gebunden sind. Der Austausch mit anderen Sportlern, Trainern und Betreuern verändert sich meist durch die Verletzung, wodurch es zu weniger Kontakten bis hin zur Isolation kommen kann.
Während der Reha entwickeln sich Teams weiter. Wer lange fehlt, muss sich oft nach der Rückkehr neu einordnen und sich den Platz im Team oder auf dem Spielfeld erneut erarbeiten.
Mit einer Verletzung kann die eigene Rolle in den Augen der Verantwortlichen unsicher werden. Die Frage, wie stark das Vertrauen des Trainerteams bzw. des Verbands bleibt, kann zusätzlichen Druck erzeugen.
Eine Verletzung kann große finanzielle Konsequenzen haben. Insbesondere bei Leistungssportlern, die auf Förderungen angewiesen sind, können in dieser Phase existenzielle Sorgen und Unsicherheiten über die eigene Karriere entstehen.
Die plötzliche Reduktion sportlicher Aktivität kann auch auf neurobiologischer Ebene wirken. Wer über Jahre hinweg regelmäßig intensiv trainiert hat, erlebt durch die abrupte Pause nicht nur eine körperliche Umstellung, sondern auch Veränderungen im Zusammenspiel körpereigener Botenstoffe wie Serotonin. Diese neurochemischen Prozesse tragen wesentlich zur emotionalen Stabilität bei – fällt die Bewegung weg, sinkt häufig auch der Serotoninspiegel. Die Folge können Stimmungstiefs, Antriebslosigkeit oder innere Unruhe sein.
Wie stark eine Verletzung die Psyche belastet, ist individuell verschieden und hängt von mehreren Faktoren ab. Besonders entscheidend sind die Art und Schwere der Verletzung. Ebenso spielen persönliche Eigenschaften wie Optimismus und die Überzeugung, selbst Einfluss auf den Genesungsprozess nehmen zu können, sowie frühere Verletzungserfahrungen eine Rolle. Auch der Zeitpunkt innerhalb der Saison und die finanzielle Absicherung können die psychische Belastung beeinflussen.
Darüber hinaus ist die soziale Unterstützung ein wesentlicher Faktor – sowohl in der Prävention als auch bei der Bewältigung einer Verletzung. Studien zeigen außerdem, dass auch der Führungsstil von Trainern mit Verletzungsraten in Verbindung stehen kann. Zudem scheint eine effektive Kommunikation zwischen der medizinischen Abteilung und dem Head Coach einen positiven Einfluss auf den Umgang mit Verletzungen zu haben (Ekstrand et al., 2018, 2019).
Emotionale Reaktionen: Was viele Athleten erleben
Jede Verletzung ist anders – und jeder Athlet verarbeitet sie individuell. Dennoch gibt es häufige emotionale Muster, die viele Betroffene durchlaufen.
Ein weit verbreitetes Modell zur Verarbeitung von Verlusten ist das Phasenmodell nach Kübler-Ross (1970). Auch wenn es ursprünglich für Trauerprozesse entwickelt wurde, lässt es sich gut auf den Umgang mit Verletzungen übertragen. Die Phasen verlaufen nicht linear – manche Athleten durchlaufen sie schneller, andere langsamer, und oft springt man zwischen ihnen hin und her. Auch kann es vorkommen, dass Sportler sehr schnell in den Funktionsmodus übergehen und emotionale Reaktionen erst einmal vermieden werden. Es ist dann gut, ihnen im Verlauf in einem sicheren Kontext Raum zu geben, da Gefühle ja auch ein großer Motor für Verarbeitungsprozesse und Veränderungen sein können.
Viele Athleten weigern sich zunächst, die Schwere der Verletzung zu akzeptieren. Sie versuchen, Schmerzen zu ignorieren, trainieren möglicherweise weiter oder reden sich ein, dass es „morgen bestimmt wieder geht“. Diese Verleugnung ist eine natürliche Schutzreaktion, kann aber dazu führen, dass eine Verletzung schlimmer wird, weil sie nicht rechtzeitig behandelt wird.
In dieser Phase suchen viele nach einem Schuldigen. Die Wut kann sich gegen sich selbst richten („Hätte ich nur besser aufgepasst…“), aber auch gegen andere, etwa den Gegner, der das Foul begangen hat, den Trainer oder die medizinische Abteilung. Frustration und Gereiztheit sind hier häufige Begleiter.
Viele Athleten klammern sich an die Hoffnung, dass sich die Situation mit der richtigen Strategie schneller lösen lässt. Sie setzen sich selbst unter Druck, die Reha besonders schnell durchzuziehen, oder probieren alternative Heilmethoden aus. In dieser Phase besteht die Gefahr, sich zu früh wieder zu belasten – mit dem Risiko, Rückschläge zu erleiden.
Wenn die Realität unausweichlich wird, tritt oft Traurigkeit, Unsicherheit und Hoffnungslosigkeit ein. Einige verlieren die Motivation für ihre Reha, ziehen sich sozial zurück oder zweifeln an ihrer sportlichen Zukunft. Besonders schwer kann es werden, wenn die Verletzung lange dauert oder das Comeback unsicher ist. Nicht selten versuchen sich Athleten von diesen Gefühlen durch alternative Belohnungen oder Kontrolle abzulenken z. B. durch Computerspiele, Social Media Konsum, Sportwetten, Alkohol und vermehrtes Feiern, impulsiveres oder restriktiveres Kauf- oder Essverhalten.
In dieser Phase beginnt der Athlet, die Situation anzunehmen und sich aktiv mit der Genesung auseinanderzusetzen. Der Fokus verschiebt sich von dem, was nicht mehr geht, hin zu dem, was möglich ist wie alternative Trainingsformen zu finden oder mentale Strategien zu nutzen und die Verletzung auch als Chance zu sehen. In dieser Phase kann auch Dankbarkeit für Unterstützung und Freude über Veränderungsprozesse und Dinge außerhalb der Verletzung wieder mehr erlebt werden.
Manche Athleten erleben nach einer Verletzung auch eine gewisse Erleichterung – besonders dann, wenn sie zuvor unter großem Druck standen. Einige empfinden die Zwangspause als Gelegenheit, durchzuatmen, den mentalen Stress des Leistungssports kurzzeitig hinter sich zu lassen und vielleicht anderen Lebensbereichen mehr Raum geben zu können. Manchmal ist sie auch Grund den Sport sozial akzeptierter beenden „zu dürfen“.
Warum diese Gefühle normal sind – und wo sie herkommen
Wenn der Körper ausfällt, gerät oft auch die innere Balance ins Wanken. Eine Verletzung bedeutet nicht nur eine Pause vom Sport, sondern kann auch das eigene Selbstbild, die Motivation und das Vertrauen in den Körper erschüttern.
Ängste, Motivationstiefs und Selbstzweifel sind keine Schwäche – sie sind eine natürliche Reaktion auf eine ungewohnte und unsichere Situation.
Der Verlust von Kontrolle: Warum Unsicherheit so belastend ist
Als Sportler ist man es gewohnt, den Körper zu kontrollieren – man trainiert gezielt, optimiert Abläufe und arbeitet auf konkrete Ziele hin. Eine Verletzung reißt einen plötzlich aus dieser gewohnten Struktur heraus. Statt aktiv an der eigenen Leistung zu arbeiten, ist man auf Heilungsprozesse angewiesen, die sich nicht immer beschleunigen lassen und auch nicht immer gänzlich vorhersehbar sind. Das Gefühl, wenig oder manchmal keinen Einfluss auf den eigenen Fortschritt zu haben, kann große Unsicherheit und Frustration auslösen.
Besonders belastend ist dies, wenn keine klare Prognose zur Heilung vorliegt oder sich Rückschläge einstellen. Fragen wie „Wann bin ich wieder voll einsatzfähig?“ oder „Werde ich überhaupt wieder mein altes Leistungsniveau erreichen?“ bleiben oft unbeantwortet. Die Unsicherheit, ob und wie es weitergeht, kann zu Angst und Stress führen – vor allem, wenn Druck von außen und existenzielle Sorgen dazukommen.
Sport als „sichere Identität“ – und was passiert, wenn sie ins Wanken gerät
Für viele Athleten ist Sport nicht nur ein Hobby oder ein Beruf – er ist ein zentraler Bestandteil der eigenen Identität. Wer jahrelang trainiert hat und sich über seine sportlichen Erfolge definiert, verliert mit einer Verletzung nicht nur die Möglichkeit zu performen, sondern auch einen wichtigen Teil des Selbstbildes. Viele fragen sich plötzlich: „Wer bin ich, wenn ich nicht trainieren kann?“ oder „Was bleibt von mir übrig, wenn ich nicht der Sportler bin?“ Diese Identitätskrisen kann Unsicherheit, Existenzängste und emotionale Belastung verstärken.
Hinzu kommt: Die Rolle als erfolgreicher Athlet ist im Sportkontext oft auch mit Status, Privilegien und besonderer Sichtbarkeit verbunden – sei es durch Lob vom Trainer, besondere Aufmerksamkeit im Team, mediale Präsenz oder Privilegien. Mit einer Verletzung geraten diese Faktoren ins Wanken, was zusätzlich am Selbstwertgefühl nagen kann. Plötzlich ist man nicht mehr aktiv dabei, wird weniger wahrgenommen oder fühlt sich austauschbar – auch das kann die psychische Belastung verstärken.
Nicht zuletzt erfüllt Sport für viele auch eine wichtige Funktion im Umgang mit Emotionen. Training und Wettkampf dienen oft als Ventil für Stress, Wut oder Anspannung – als bewährte Strategie zur Emotionsregulation. Fällt diese Ressource plötzlich weg, kann es schwerfallen, mit intensiven Gefühlen umzugehen, die sonst durch Bewegung kanalisiert wurden. Auch das verstärkt das Gefühl des Kontrollverlusts und kann emotionale Reaktionen intensivieren.
Wie Verletzungen das Selbstbewusstsein beeinflussen können
Eine Verletzung kann das Selbstbewusstsein stark erschüttern. Sportler sind es gewohnt, sich auf ihren Körper verlassen zu können – doch plötzlich scheint er nicht mehr „funktionieren“ zu wollen. Das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit gerät ins Wanken – viele empfinden die Situation als Verunsicherung oder als Rückschritt.
Neben dem Selbstbewusstsein und der Identität leidet häufig auch die Selbstwirksamkeit – also der Glaube daran, durch eigenes Handeln etwas bewirken zu können. Wer merkt, dass Fortschritte trotz Anstrengung ausbleiben oder Rückschläge auftreten, zweifelt schnell an der eigenen Einflussnahme. Das Gefühl, den Heilungsverlauf nicht aktiv gestalten zu können, kann entmutigen – insbesondere, wenn man es gewohnt ist, durch Training und Disziplin Erfolge zu erzielen.
In dieser Phase können Motivationstiefs auftreten. Wenn Fortschritte nur langsam sichtbar werden oder die harte Arbeit scheinbar ohne spürbaren Erfolg bleibt, kann es oft schwerfallen, sich mit vollem Einsatz in die Reha zu begeben. Besonders herausfordernd wird es, wenn sich andere Teammitglieder kontinuierlich weiterentwickeln und ihre Leistungen sichtbar steigern. Das Gefühl, den Anschluss zu verlieren oder nach der Rückkehr nicht mehr auf dem gewohnten Leistungsniveau zu sein, kann zusätzlichen Druck erzeugen und die Motivation weiter beeinträchtigen.
All diese Emotionen sind verständlich und normal – sie zeigen, wie tief Leistung, Kontrolle und Weiterentwicklung im Selbstverständnis vieler Sportler verankert sind, was meist ja auch in einer gesunden Ausprägung gut so ist. Entscheidend ist, diese Gefühle anzunehmen und sich bewusst zu machen, dass sie Teil des Prozesses sind. Der Umgang mit ihnen lässt sich – genau wie körperliche Fähigkeiten – trainieren und stärken. Ein gezielter Aufbau von Selbstwirksamkeit, etwa durch realistische Zwischenziele und sichtbare Teilerfolge, kann dabei helfen, das Vertrauen in sich selbst schrittweise zurückzugewinnen. Auch können Vorbilder mit ähnlichen Attributen und in ähnlichen Situationen die Selbstwirksamkeit stärken.
Weitere Wirkfaktoren für einen guten Übergangsprozess
Wissenschaftlicher Background
Der Karriereübergang wird von vielen Sportlern als große Lebensveränderung wahrgenommen, die bei 46% der Sportlern in den ersten 6-8 Monaten mit einer mittelmäßigen bis hohen Stressbelastung einhergeht. Trotz der Herausforderungen bewertet ein Großteil der Athleten den Übergang als positiv und ist zufrieden mit dem post-sport Leben nach dem Leistungssport [1,2]. Die Minderheit bewertet ihren Anpassungsprozess negativ (8-15%) und ist mit ihrem Leben nach der sportlichen Karriere unzufrieden (5-11%) [1,2]. Neben den negativen Auswirkungen steht nun mehr Zeit für Familie, Freunde und andere Interessen zur Verfügung. Die körperliche Belastung durch Training und Verletzungen fällt weg, wie auch der sportliche Leistungsdruck.
Da es sich bei dem Karriereübergang um einen Anpassungsprozess handelt, können die verschiedenen Phasen differenzierter betrachtet werden. Das psychische Befinden variiert je nach Erhebungszeitpunkt und durchläuft verschiedene Stadien. Stephan [3] identifizierte bei französischen Leistungssportlern eine erste Phase der Anpassung (1,5 Monate nach dem Karriereübergang), in der das subjektive Wohlbefinden zunächst sank. Im Vordergrund stand die Erkenntnis, dass sich die Werte und Kompetenzen am Arbeitsplatz von den während der sportlichen Karriere verinnerlichten Werten unterscheiden. Zum Zeitpunkt fünf Monate nach dem Karriereübergang steht die Vermeidung eines passiveren Lebensstils im Vordergrund. Alternative Aktivitäten und die Suche nach sozialen Netzwerken sind Ersatz für den Takt des Leistungssports. Das Wohlbefinden steigt hierbei wieder an. Nach acht Monaten im neuen Lebensabschnitt zeigt sich nach Stephan [3] weniger Vermeidungsverhalten und mehr sportliche Aktivität. Der Athlet erlebt sich als beruflich kompetenter, es mangelt aber noch an beruflichen Zielen. In dieser Phase stabilisiert sich das Wohlbefinden. Ein Jahr nach dem Karriereübergang steigt das Wohlbefinden an. Das Setzen und Erreichen beruflicher Ziele wird als positiv erlebt. Die Sportler gewinnen Kontrolle über ihre Freizeit und treiben ergänzend Sport in einem selbst gewählten Rahmen. Auch bei kanadischen Athleten fanden sich ähnliche, als hilfreich empfundene Bewältigungsstrategien, mit Verlagerung des Interessenschwerpunktes, beschäftigt sein und sportliche Aktivität [1].
Wie bei allen Anpassungsprozessen ist die Dauer individuell unterschiedlich. 23% gaben an, diesen nach 1-2 Monaten bewältigt zu haben, ein Drittel benötigte 6-12 Monate, 22% über zwei Jahre. 23% gaben an zum Zeitpunkt der Erhebung (durchschnittlich 4 Jahre nach dem Karriereübergang) immer noch nicht komplett an ihre neuen Situationen angepasst zu sein [1].
Prävalenz psychischer Beschwerden bei ehemaligen Leistungssportlern
Insgesamt ist die Prävalenz psychischer Beschwerden ähnlich der der Normalbevölkerung [4]. Es gibt jedoch Untergruppen, bei denen Symptome vermehrt auftreten; Athleten mit Verletzungen und Gehirnerschütterungen in der Vorgeschichte, anhaltenden Schmerzen, zum Beispiel im Rahmen einer Arthrose und psychosozialen Belastungsfaktoren sollten besondere Aufmerksamkeit erhalten.

Olympiastützpunkte
Seit 2015 erhalten erfolgreiche Bundeskaderathleten (Olympiateilnehmer oder Sportler mit einem fünfjährigen Bundeskaderstatus) das Anrecht, auch nach ihrer Leistungssportkarriere in sogenannten Zukunftsgesprächen von den Laufbahnberatern an den Olympiastützpunkten betreut zu werden. Hier findest du eine Liste mit den Standards der Laufbahnberatung und eine Kontaktliste.
Am OSP Berlin findet zusätzlich seit 2022 jährlich ein eintägiger Workshop für ehemalige Athleten ab NK1 des OSP Berlin statt, in dem es um Austausch, Reflektion, Neuorientierung und interdisziplinäre Informationen rund um das Thema Abtraining, Ernährungsumstellung und psychologische Skills zum Fähigkeiten Transfer und Neuorientierung geht.
Eine sportpsychologische Betreuung ist an allen OSP´s und im Verband an den Kaderstatus geknüpft und es gibt noch keine offizielle spezielle Unterstützung des Karriereüberganges, aber natürlich findet das Thema in der vorherigen Arbeit schon Raum und es wird versucht im Rahmen der regulären Arbeit Karriereübergänge gut zu begleiten.
Sportpsychologen sind speziell darauf geschult, Athleten bei den mentalen Aspekten ihrer Karriere zu unterstützen, einschließlich des Übergangs in das Leben nach dem Sport. Sie können eine Vielzahl von Techniken und Strategien anbieten, die dir helfen können, mit den Herausforderungen, die das Karriereende mit sich bringt, besser umzugehen. Dazu gehören Techniken zur Stressbewältigung, zur Verbesserung der mentalen Widerstandsfähigkeit und zur Bewältigung von Veränderungen. Sie können dir auch dabei helfen, neue Ziele zu setzen und einen Plan für dein Leben nach dem Sport zu entwickeln.
Deutsche Sporthilfe
Die Deutsche Sporthilfe versucht in Kooperation mit den Laufbahnberatern an den Olympiastützpunkten mit dem Förderbaustein "Sprungbrett Zukunft", Wirtschaft und Spitzensportler zum beidseitigen Nutzen zusammen zu bringen und so Deutschlands Top-Athleten für die Zeit nach der sportlichen Laufbahn vorzubereiten.
Außerdem haben sie viele gelungene Angeboten zur Nachaktiven-Förderung, die allen Mitgliedern des Sporthilfe Alumni-Clubs zur Verfügung stehen. Das Angebot ist vielfältig und setzt sich sowohl aus finanzieller Förderung als auch beruflicher und persönlicher Förderungen zusammen. Bzgl. der finanziellen Förderung unterstützt die Sporthilfe – unter bestimmten Voraussetzungen – auch noch ehemals geförderte Athleten, um so den Einstieg in die Berufswelt zu erleichtern. Angeboten werden dabei das Alumni Stipendium, das WHU-Stipendium und das Deutsche Bank Sportstipendium.
Im Bereich der Berufs- und Persönlichkeitsentwicklung stehen den Alumni-Club-Mitgliedern eine Reihe von Angeboten zur Verfügung. Einige Angebote sind für die ersten Jahre nach dem Karriereende bestimmt, andere gelten unbegrenzt. Projekte sind beispielsweise die Start-up Academy, Mentorenprogramme, Kennwort-Bewerbung, Kurzzeitpraktika, Bewerbertraining, Sporthilfe Elite Forum, Speaker Training und Coaching-Pool. Die Angebote sind wirklich toll, guckt gerne mal rein https://www.sporthilfe.de/alumni-club/alumni-nachaktivenfoerderung
Super finden wir ebenfalls, dass die Deutsche Sporthilfe mit den Formaten Zukunftsworkshop und Matchplan darüber hinaus spezielle Workshopangebote für den Karriereübergang entwickelt und implementiert hat.
Der Zukunftsworkshop setzt sich aus 2 Workshopteilen zusammen, ein zweitägiger Online-Workshop und ein 2-tägiger Präsenz-Workshop in der Sporthilfe vor Ort. Der Zukunftsworkshop ist für alle geförderte oder ehemals geförderte Sporthilfe Athleten (Alumnis).
Beim Zukunftsworkshop lernen die Teilnehmer:innen mehr über sich selbst, über ihre Stärken und Eigenschaften, die sie auch außerhalb des Sports kennzeichnet und wie sie damit erfolgreich im Berufsleben punkten können. Außerdem wird eine Zukunftsvision pro Teilnehmer erarbeitet. Den Zukunftsworkshop können auch Athleten machen, die ihn naher Zukunft an ihr Karriereende denken.
Der Matchplan erstreckt sich insgesamt über 2 verschiedene Präsenz-Workshops und eine intensive 1:1-Betreuung unserer Coaches circa über ein halbes Jahr hinweg. Jedes Jahr findet eine Matchplan-Runde statt, und es können 12 ehemalig geförderte Ahtlet:innen, die mindestens 12 Monate im OK waren oder aktuell noch im OK sind, aber in sehr naher Zukunft (innerhalb des laufenden Jahres) ihre sportliche Karriere beenden wollen, teilnehmen.
Der Unterschied zum Zukunftsworkshop liegt in der Länge der Betreuung und der Möglichkeit, dass die Athlet:innen im Nachgang an die Workshops auch die Möglichkeit haben individuelle Weiterbildungsmaßnahmen über den Matchplan einzureichen und abrechnen zu lassen, daher ist hier der Athlet:innen-Kreis auch auf Top-Team (Olympiakaderathlet:innen) beschränkt. Insgesamt wird hier verstärkt auf die Betreuung über einen längeren Zeitraum gelegt, sodass die Athlet:innen einen „Matchplan“ für den erfolgreichen Einstieg in den Beruf haben oder durch Weiterbildungsmaßnahmen dann erlangen. Umgesetzt wird das neue Programm mit der Unterstützung von Jürgen Klopp, der Initiative Common Goal und der Agentur projekt b.
Das hinterderziellinie Team sind die beiden Coaches Andreas Kuffner und Friederike Lindenberg, die beide dieser Workshops umsetzen und leiten. Ansprechpartnerin für diese Angebote ist aktuell (Stand 07.11.2023) Verena Braun, Managerin Athletenförderung der Deutschen Sporthilfe (verena.braun@sporthilfe.de).
Mit diesen Angeboten des Deutschen Olympischen Sportbundes, den OSP´s und der Deutschen Sporthilfe soll das Ende der Spitzensport-Karriere auch offizieller als Bestandteil der dualen Karriere anerkannt werden.
Weitere Unterstützungsangebote vor allem auch für den Übergang in psychische Probleme haben wir dir hier zusammengefasst.
"WinWin Sportmarketing" bietet Athleten während und am Ende ihrer sportlichen Karriere Unterstützung bei der Jobsuche an. Hierbei werden Herausforderungen, die der Übergang vom Sport ins Berufsleben mit sich bringen kann, berücksichtigt und sich darauf konzentriert, passende Stellen für ehemalige Spitzensportler zu finden.
Im Kern des Angebots steht das persönliche Kennenlernen mit den Athleten, um deren berufliche Vorstellungen und regionalen Wünsche zu verstehen. Auf Basis dieser Informationen sowie der bereitgestellten Dokumente wie Lebenslauf und Zeugnisse erstellt "WinWin Sportmarketing" eine Bewerbermappe. Das Ziel ist es, Unternehmen zu identifizieren, welche die Stärken von Spitzensportler schätzen und flexible Arbeitsbedingungen bieten können.
Die Suche nach geeigneten Stellen beinhaltet die Kontaktaufnahme mit potenziellen Arbeitgebern, um die Eignung der Athleten für offene Stellen zu diskutieren, ohne dabei Namen zu nennen. Bei positivem Feedback und mit Einverständnis der Athleten werden die Bewerbungsunterlagen weitergeleitet und Vorstellungsgespräche organisiert.
Ausführlichere Informationen über das Angebot findest Du hier.
Zusammenfassung und Ausblick
In den letzten Jahren ist nicht nur die psychische Gesundheit des aktiven Athleten mehr in den wissenschaftlichen und praktischen Fokus gerückt, sondern auch sein Befinden nach dem Karriereende. Zusätzlich konnten neue Erkenntnisse hinsichtlich des Übergangsprozesses gewonnen werden. Zusammenfasend kann man sagen, dass der Sportler bei seiner Karrierebeendigung vor einer Fülle an Veränderungen und Aufgaben steht, die jedoch von den meisten Sportlern gut gemeistert werden. Dieser Prozess braucht allerdings Zeit. Faktoren wie eine stark ausgeprägte Identität als Sportler, Unzufriedenheit mit der sportlichen Kariere, geringe soziale Unterstützung und mangelnde Zukunftsplanung können den Prozess erschweren und verlängern. Ehemalige Athleten leiden unter psychischen Beschwerden in ähnlicher Häufigkeit wie die Normalbevölkerung. Allerdings finden sich Faktoren die das Auftreten psychischer Leiden deutlich erhöhen, wie Schmerzen, Arthrose, wiederholte Gehirnerschütterungen und psychosoziale Gründe. Diese Gruppe der Athleten sollte eine intensiviere Nachbetreuung erfahren.
Wir wünschen Dir von Herzen einen erfolgreichen Karriereübergang und ganz viel Mut, Vorfreude und Energie für das nächste Kapitel!
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Quellenangaben
[1] Sinclair, D. A. & Orlick, T. (1993). Positive transition from high-performance sport. The Sport Psychologist, 7, 138-150.
[2] Erpicˇ, S. C., Wylleman, P., & Zupancˇicˇ, M. (2004). The effect of athletic and non-athletic factors on the sports career termination process. Psychology of Sport and Exercice, 5, 45–59.
[3] Stephan, Y. (2003). Repercussions of transition out of elite sport on subjective well-being: A one-year study. Journal of Applied Sport Psychology, 15(4), 354–371.
[4] Mannes, Z.L, Waxenberg, L.B, Cottler, L.B, Perlstein, W.M, Burrell, L.E 2nd, Ferguson, E.G, Edwards, M.E. & Ennis, N. (2019). Prevalence and Correlates of Psychological Distress among Retired Elite Athletes: A Systematic Review. International Review of Sport and Exercise Psychology, 12(1):265-294.


